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28.8.2010 von tono.
Wenn ich daran denke, wie verzweifelt ich bei meinem „Einzug“ hier gewesen bin, muss ich grinsen. Ich war so konzentriert darauf, aufzulisten, was ich alles nicht mehr konnte, so fixiert auf die Einschränkungen, die Folgen meiner Krankheit, dass ich ihr einen viel größeren Anteil meines Lebens zugestand als richtig gewesen wäre. Natürlich wäre das eine Menge gewesen, aber mir erschien es wie fast Alles.
Heute wünschte ich mir, so schwach und eingeschränkt zu sein wie damals. Mann, gäbe das eine Party! Ich würde grillen, kochen, dafür einkaufen und würde dabei noch singen und tanzen. Das, was ich dann noch könnte, wäre nämlich tausend Mal mehr als jetzt. Damals dachte ich, es wäre gar nichts mehr, aber heute erscheint mir der Zustand extrem verlockend. Möglichkeiten über Möglichkeiten! Ist eben wirklich nur eine Frage des Standpunktes, von dem aus man Dinge betrachtet. Im direkten Vergleich mit dem, was ich vorher zu leisten imstande war, war das bestimmt auch zutreffend. Jetzt, von hier, sieht das schon etwas anders aus.
Heute kann ich nichts mehr, womit sich groß etwas anfangen ließe. Programmgemäß greift sich die ‘ALS’ meine letzten verbliebenen Muskeln. Derzeit knabbert sie an meinen Nackenmuskeln und den noch verbliebenen Beinmuskeln. Für mich lässt sich das recht gut realisieren, denn die wenigen Bewegungen, die ich noch ausführe, sind seit Monaten überwiegend dieselben. Vor allem bei der Krankengymnastik fällt schnell auf, wenn wieder ein Teil meines Körpers aufhört, sich durch eigene Muskelkraft bewegen zu lassen.
Deswegen hätte ich es begrüßt, wenn mich zu Beginn meiner Krankheit mal jemand zur Seite genommen und kräftig in den Hintern getreten hätte. Anschließend dann eine Schocktherapie, in deren Verlauf mir mein heutiger - und zukünftiger - Zustand ganz klar und deutlich vor Augen geführt würde. Gerne auch drastisch, mit Bildern, Filmen oder Besuchen bei anderen Kranken. Alles eben, womit man einem Sterbenskranken klarmachen kann, dass er im Vergleich zu anderen Kranken - oder sich selbst in einigen Monaten - noch ziemlich gut dran ist. Aber leider beschränkt sich die (eigene) Wahrnehmung und Sichtweise zu sehr auf die Verluste…
Apropos Verluste: durch den Ausfall immer mehr meiner Nacken- und Halsmuskeln und auch der Lippen fällt mir das Rauchen immer schwerer, ich habe meinen Konsum deshalb in etwa halbiert. „Nicht schlimm“, höre ich Mediziner und militante Nichtraucher unisono sagen. Wenn man allerdings berücksichtigt, dass ich vorher 4-6 Zigarretten geraucht habe, wird klar, dass wir von homöopathischen Dosen reden…
PS: Das Essen wird auch schwieriger, finde ich aber bei Weitem nicht so tragisch…
In diesem Sinn, schönes Wochenende. Und falls es dauernd regnen sollte: macht es Euch zuhause schön gemütlich. Ich gehe dieses Wochenende auch nicht raus…
Geschrieben in ALS | 2 Kommentare »